Der Abschied von den Eltern
(1854)


Ferdinand Georg Waldmüller (*1793, †1865)

Landessammlungen Niederösterreich

Ab der Mitte der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts widmete sich Waldmüller zunehmend dem Genrebild. Die ländlichen, meist aus dem bäuerlichen Alltag gegriffenen Szenen spielen vielfach vor dem Hintergrund der Landschaft des Wienerwalds und des Alpenvorlands, aber auch in Innenräumen, etwa in der Bauernstube, im Stall, im Presshaus oder Weinkeller.
Im Jahr 1854 malte Waldmüller den "Abschied von den Eltern", für den eine einfache Dachstube aus der Wiener Vorstadt die Raumbühne bildete. Es ist jedoch nicht der Abschied von den Eltern, sondern vielmehr die Übertragung der Verantwortung an die Älteste, die Waldmüller zu thematisieren versuchte. Dies bestätigt auch der Originaltitel des Gemäldes: "Das älteste der Kinder hütet Brüder und Schwestern in Abwesenheit der Eltern". Obwohl die Szene im Arbeitermilieu der Großstadt spielt, lässt sie jeglichen, sonst in vielen Genrebildern Waldmüllers spürbar werdenden gesellschaftskritischen Aspekt vermissen. Armut und schlechte Wohnsituation werden als gegeben hingenommen und bilden den Hintergrund für häusliches Glück und Zufriedenheit.
Die vielfigurige Szene entwickelte der Künstler in strenger Dreieckskomposition, die sich den räumlichen Gegebenheiten weitestgehend unterordnet. Im Zentrum der Darstellung steht das junges Paar, das sich offensichtlich zum Aufbruch zur Arbeit rüstet. Waldmüller stellte in seinem Bild die Momentaufnahme einer Handlung dar, einen Augenblick voll Bewegung und Leben, einen Effekt, den die Photografie erst viel später durch die Verbesserung der technischen Voraussetzungen erreichen sollte. Das Gemälde wurde 1855 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt.
(Quelle: W. Krug, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 78)