Guntramsdorf


Gemeinde Guntramsdorf

Ortsgeschichte

Südlich der Stadt Mödling im westlichen Wiener Becken liegt der Markt Guntramsdorf. Reiche ur- und frühgeschichtliche Funde belegen eine Besiedlung zumindest seit der Jungsteinzeit. In Keltengräbern der jüngeren Eisenzeit (frühe La-Tène-Kultur) fanden sich drei trepanierte Schädel, die eine Rarität darstellen. Heilungsspuren auf einem Schädel weisen darauf hin, dass zumindest kurzfristig der chirurgische Eingriff erfolgreich war. Aus der Zeit der römischen Besiedlung stammen ein kleines Fußbodenmosaik, Gräber und Reste eines römischen Hauses. Bei Grabungen im Bereich des Rathausviertels stieß man auf zwei römische Steinschachtgräber, vermutlich aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Die aus Sandstein gearbeiteten Grabinnenseiten sind mit Girlanden und floralen Motiven bemalt. Der Boden eines Grabes weist eine leuchtend rote Farbe auf. Hier wurde der Estrich mit Ziegelmehl versetzt. Die Gräber sind die einzigen bis jetzt entdeckten Steinkistengräber mit Bemalung in Österreich.

Der erste bekannte urkundliche Beleg stammt aus dem Jahr 1125. In einer Urkunde wurden vineas Gvndramistorf (Weingärten) und ein Heinric de (=von) Gundrammesdorf genannt. Die Ansiedlung, nach einem Gvndram (Gundram) benannt, gehörte zur großen Mutterpfarre Mödling, die erstmalig um 1113 erwähnt wurde. Um 1200 befand sich der Ort im Besitz der Herzöge von Mödling. 1232 wurde Guntramsdorf Pfarre. 1246 bis 1365 folgten die Herren von Guntramsdorf als Besitzer der Herrschaft. Danach wurde Guntramsdorf landesfürstlich. In dem seit dem Mittelalter bedeutenden Weinbauort besaßen die Klöster Melk, Heiligenkreuz, Klosterneuburg und Zwettl Zehenthöfe („Freihöfe“), dazu gehörten auch Mühlen. Wie nahezu alle Orte im Wiener Becken hatte auch Guntramsdorf unter den Einfällen der Osmanen 1529 und 1683 zu leiden. 1751 zerstörte ein Großbrand Teile des Marktes. 1797 begann man in Guntramsdorf mit den Grabungsarbeiten für den Wiener Neustädter Kanal. Hier wurde zwischen 1797 und 1803 die einzige dreistufige Schleusenanlage des Kanals errichtet. Die Schleusentore wurden 1925 entfernt.   

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts begann die Ansiedlung von Industriebetrieben. Am Gelände der sogenannten „Mittermühle“, welche seit dem 12. Jahrhundert im Besitz des Stiftes Heiligenkreuz war, wurde 1804 eine Papier- und Spielkartenfabrik eingerichtet. Unter Eduard Fürst, der die Fabrik 1838 erwarb, wurde die Produktion auf Maschinenbetrieb umgestellt. Sie bot 200 Beschäftigten Arbeit und zählte zu den größten Papierfabriken in Niederösterreich. 1849 wurde der Betrieb in eine Druckerei umgewandelt, die 1962 schließen musste. Die Räumlichkeiten der „Druckfabrik“ beherbergen heute mehrere Kleinunternehmen.

Nach dem Anschluss 1938 wurde Guntramsdorf dem 24. Bezirk von Groß-Wien eingegliedert. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Flugmotorenwerkes „Ostmark“ ab 1941 entstand der Ortsteil Neu-Guntramsdorf. Für den Bau des Werkes und den Betrieb wurden Zwangsarbeiter und Häftlinge aus dem KZ Mauthausen eingesetzt. 1943 errichtete man auf Guntramsdorfer Gemeindegebiet ein Nebenlager des KZ Mauthausen, in dem bis zu 3.170 Häftlingen untergebracht waren. Seit 1995 befindet sich auf dem Gelände eine Gedenkstätte. Ab Juni 1944 flog die 15. USAAF wiederholt Angriffe auf die „Ostmark“-Werke. Dabei wurden zahlreiche Gebäude in Guntramdorf beschädigt bzw. zerstört, darunter auch die Pfarrkirche. 28 BewohnerInnen fanden den Tod. Während der letzten Kämpfe um Wien in den ersten Apriltagen 1945 war Guntramsdorf vom 2. bis 4. April Frontgebiet und lag unter schwerem Beschuss der sowjetischen Armee unter Marschall Tolbuchin.    

Vom Guntramsdorfer Schloss, das Hermann von Liechtenstein um 1730 erbauen ließ, ist heute nur mehr der Gartenpavillon erhalten. Die restlichen Teile des während des 2. Weltkrieges devastierten Schlosses wurden 1951 abgetragen. Der Festsaal im ersten Stock des Pavillons besitzt eine reiche Freskenausstattung mit Grotesken und Chinoiserien (Darstellungen in chinesischer Art), Fest- und Tafelszenen, exotischen Tieren und Masken. Der Raum wird heute für Trauungen genutzt. An der Stelle der 1944 zerstörten Pfarrkirche wurde 1949–52 nach Plänen von Josef Vytiska ein neuer Bau errichtet.

Mit der Auflösung Groß-Wiens 1954 erhielt Guntramsdorf seine Selbständigkeit zurück und gehörte nun wieder zum Bundesland Niederösterreich.