Retz


Gemeinde Retz

Ortsgeschichte

Die Weinstadt Retz mit ihrem historischen Ambiente wurde durch die Fernsehserie „Julia - eine ungewöhnliche Frau" mit Christiane Hörbiger wohl zur bekanntesten Kleinstadt Österreichs. 

Der Ortskern entwickelte sich aus zwei Siedlungen. Die Ursprünge des nördlichen Teils gehen auf ein 1180 erstmals urkundlich genanntes Dorf Recze zurück, das sich um die hochgelegene Pfarrkirche St. Stephan gruppierte und zur Herrschaft der Grafen von Plain-Hardegg gehörte. Dieses verschmolz mit Althof, Wieden (Pfarrgut) und der von den Herren von Kaja angelegten Siedlung zur „Altstadt".

Südlich davon entstand um 1280/1290 eine planmäßig angelegte, neue Siedlung mit großem Rechteckplatz, mächtiger Befestigung und einem Dominikanerkloster. Gründer der „Neustadt" war Graf Berthold von Rabenswalde-Schwarzburg. Er heiratete die Witwe des Otto von Hardegg - der letzte Hardegger starb 1260 - und wurde von König Rudolf I. 1278 mit der reichunmittelbaren Grafschaft Hardegg belehnt. Den Mittelpunkt seiner Herrschaft verlegte er von der Burg Hardegg in das zentrale Retz. Bertholds Wappentier, der aufsteigende Löwe, wurde das Wappen von Retz, das 1305 erstmals als Stadt bezeichnet wurde.

Als Nachfolger Bertholds waren die mit ihm verwandten Burggrafen von Maidburg (Magdeburg) bis Ende des 15. Jahrhunderts Herren der Grafschaft Hardegg und der Herrschaft Retz, deren Burg meist ihr Sitz war. Aufgrund von Erbverträgen wurde Retz mit der Grafschaft Hardegg 1481 landesfürstlich. 1509 wurde die Stadt an die Eitzinger verpfändet, denen die Prueschenk-Hardegg 1534 folgten. 1709 kam Retz - nach mehrfachem Wechsel der Herrschaft - an die Grafen von Gatterburg.

1425 eroberten Hussiten die Stadt, bei dem Massaker starben über 1000 Menschen. Doch nur wenige Jahrzehnte später erlebte Retz eine erste Blüte, nachdem Kaiser Friedrich III. 1458 das Privileg zum Lagern von Salz und zum Handel mit Getreide und Wein verliehen hatte. Seit dieser Zeit ist Retz mit dem Weinbau und vor allem mit dem Weinvertrieb verbunden, der das weltweit einmalige, über 20 Kilometer lange und 30 Meter tiefe Kellerlabyrinth entstehen ließ. Hier wurden seit dem Spätmittelalter die Weinbestände der Gegend gelagert.

Der unterirdisch gelagerte Reichtum und das Selbstbewusstsein der Retzer Bürger fand seinen Ausdruck in den prächtigen, im Kern gotischen Bürgerhäusern des Marktplatzes, die von der Renaissance bis zum Biedermeier alle Stilrichtungen repräsentieren. Das mächtige, von Zinnen gekrönte so genannte „Verderberhaus" entstand um 1580. Es wurde im nördlich der Alpen sehr seltenen Stil der venezianischen Renaissance erbaut und besteht aus drei frühneuzeitlichen Häusern. Seinen Namen erhielt es von der Händlerfamilie Verderber, die es im 19. Jahrhundert besaß. Das 1576 erbaute Sgraffitohaus wurde mit Szenen aus der griechischen Mythologie und dem Alten Testament sowie Lebensalterbildern gestaltet. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die spätgotische Marienkapelle zum Rathaus umgebaut, das den Mittelpunkt des Hauptplatzes bildet. Der Ratssaal wurde um 1740 zu einem farbenprächtigen Barockraum ausgestaltet. Die Fresken malte der junge Kremser Schmidt, damals noch ein unbekannter Lehrling. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Retz eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde am 1. Juli 2002 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Hollabrunn zugewiesen. 

Wahrzeichen von Retz wurde eine Windmühle, die 1772 auf dem Kalvarienberg errichtet wurde. Sie ist das einzige in Österreich noch erhaltene Exemplar der rund 140 Windmühlen aus dem späten 18. Jahrhundert, die auf Anregung Josephs II. im wasserarmen Weinviertel entstanden. Der aus Pulkau stammende Müller Johann Bergmann kaufte 1833 die Windmühle und ließ sie nach dem Vorbild holländischer Mühlen umbauen. Sie war - als letzte tätige Mühle des Weinviertels - bis 1925 zum Getreidemahlen in Betrieb und ist noch voll funktionstüchtig, wurde aber bereits 1928 unter Denkmalschutz gestellt. Mühle und ehemaliges Müllerhaus sind bis heute im Besitz der Familie Bergmann.