St. Aegyd am Neuwalde


Gemeinde Sankt Aegyd am Neuwalde

Ortsgeschichte

Die Marktgemeinde St. Aegyd am Neuwalde ist die südlichste Gemeinde des Bezirkes Lilienfeld. Einzelne Besiedlungsspuren reichen bis in die Jungsteinzeit zurück. Ab dem 12. Jahrhundert wurde hier von der Herrschaft Hohenberg aus mit der Rodung begonnen. Karrenwege führten aus dem Halltal über das Gscheid bis nach Puchberg. Auf diesen wurde Salz transportiert. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichteten die Hohenberger die Pfarre St. Aegyd, die um 1250/60 im passauischen Pfründenverzeichnis als silva nova (= Neuwald) angeführt wird. Als Patron scheint Dietrich von Hohenberg auf. Für das Jahr 1271 wird ein erster Pfarrer Chunradus genannt. 1325 wurde Hohenberg Eigenpfarre und vom Pfarrgebiet St. Aegyd abgetrennt. 1530 traten an die Stelle der Hohenberg die Herren von Roggendorf, die 1590 die Jörger von Tollett ablösten. Mit den Jörgern verbreitete sich die protestantische Lehre im Tal. Die Pfarrkirche ist noch heute im Besitz einer Patene mit dem Wappen der Jörger von Tollett. Die Jörger als Förderer der protestantischen Lehre wurden 1619 enteignet. Im Jahre 1627 wurden alle Besitzungen der Jörger geschätzt; die Herrschaft Hohenberg gelangte in der Folge als Fideikommiss an Hans Balthasar von Hoyos, Freiherr von Gutenstein und Stücksenstein. Mit den neuen Patronatsherren der Pfarre hielt die Gegenreformation raschen Einzug in das südliche Niederösterreich und war binnen 20 Jahren im Großen und Ganzen abgeschlossen.

Der Ort ist seit 1647 urkundlich als Markt nachweisbar, geht aber wahrscheinlich auf die frühere Marktgründung Hohenbergs 1444 zurück. Beim zweiten „Türkensturm“ (1683) blieb das obere Traisental verschont, da die Osmanen vor einer bei Freiland errichteten Sperrmauer kehrt machten. Sie erhielt den Namen „Türkenmauer“.  Der wichtigste Erwerbzweig in der Region war ab dem 18. Jahrhundert zunächst die Holzgewinnung. Brennholzmangel in der Residenzstadt Wien und der große Holzbedarf der kaiserlichen Eisenwerken in Hirschwang und Reichenau führte zu groß angelegten Schlägereien in den Urwäldern des Gebirges – an Salza, Walster und Terzbach. Der Arbeitskräftemangel wurde durch die Ansiedlung von Holzarbeitern aus Oberösterreich und Schwaben behoben, die großteils dem evangelischen Glauben angehörten. Die Waldarbeitersiedlungen  Terz und Lahnsattel mit Donaudörfl am Fuße des Göllers entstanden. Bis heute ist der Anteil von Protestanten in der Bevölkerung mit 12,4 % für österreichische Verhältnisse ungewöhnlich hoch. Ab etwa 1800 war Georg Huebmer – der „Raxkönig“ – für die Grafen Hoyos tätig. Er errichtete ab 1816 eine Holzschwemme an der Traisen. Mit einer Stollenanlage, die er 1822–1827 durch das Gschaidl treiben ließ, wurde Holz mit dem Wasser der Stillen Mürz ins Preintal und weiter nach Wien geschwemmt.     

Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig war die Eisenverarbeitung. Ende des 18. Jahrhunderts erwarb der aus Suhl in Thüringen stammende Jakob Fischer das Bauerngut Birbisthal samt dazugehöriger Kettenschmiede und Gefällestufe an der Unrecht Traisen. Fischer hatte 1775 ein Werk in Rehberg bei Krems errichtet, in dem Säbelklingen erzeugt wurden. Der wirtschaftliche Erfolg ermöglichte ihm 1788 den Kauf eines Hammerwerkes in Hainfeld an der Gölsen. In St. Aegyd entstand ein neuer Fabrikskomplex, der während der Napoleonischen Kriege für die Heeresverwaltung produzierte. Nach 1815 spezialisierte man sich auf die Produktion von Feilen, gewalztem Eisenblech und Draht. Ab 1845 erzeugte man Drahtseile. 1869 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt: die „St. Egydy und Kindberger Eisen- und Stahl-Industrie-Gesellschaft entstand. Der Standort St. Aegyd war im Vergleich zu anderen Werken immer durch die schlechte Verkehrsanbindung benachteiligt. Die Situation verbesserte sich durch die 1893 eröffnete Eisenbahntrasse von Schrambach nach Kernhof. Der zunehmende Fremdenverkehr in den Alpenregionen führte zum vermehrten Bau von Seilbahnen, zu denen das St. Egyder Werk die benötigten Drahtseile lieferte, so 1925 für die Zugspitzbahn, 1926 für die Raxbahn, die Pfänderbahn und die Feuerkogelbahn. Während des Zweiten Weltkriegs gab es in St. Aegyd ein KZ-Nebenlager, das zum KZ Mauthausen gehörte. Die ersten Häftlinge trafen am 2. November 1944 ein; geräumt wurde das Lager am 1. April 1945. In dieser Zeit hielten sich insgesamt 497 Häftlinge im Lager auf. Das Lager wurde unter Leitung der „Kraftfahrtechnischen Lehranstalt der Waffen-SS“ von Zwangsarbeitern errichtet. Das Lager wurde nie fertiggestellt und konnte daher auch nie seinen Zweck, der bis heute nicht eindeutig geklärt ist, erfüllen.

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert profitierte die Region um St. Aegyd vom Fremdenverkehr. Einen neuen Aufschwung erlebte dieser nach dem Zweiten Weltkrieg. Man spezialisierte sich auf die  nordischen Sportarten. Eine Sprungschanze – die Klaushoferschanze mit einem K-Punkt bei 73 m – wurde 1984 errichtet. Von 1985 bis 1993 fanden dort Meisterschaften und auch Sprungbewerbe im Europacup statt. Am 12. Jänner 2008 eröffnete man das „Nordische Zentrum“. St. Aegyd etablierte sich neben Bärnkopf-Gutenbrunn und der Panoramaloipe auf dem Wechsel als drittes nordisches Zentrum in Niederösterreich.