Mitterretzbach - Steg über die Ausgrabungsstätte
(1997 bis 1999)


Max Pauly (*1955)

Der Steg interpretiert die Topografie des Ortes, eines flachen Hügelzugs, der sanft nach Osten abfällt. Indem der Steg der Hangneigung leicht entgegen geneigt ist, erlaubt er ohne Anstrengung den Gang zur vordersten Kante, die sich bugartig anhebt. Die elliptische Grundrissform ist in der Schrägsicht kaum wahrnehmbar, meist interpretiert man eine Kreisform; aber die Ellipse hat eine Richtung und ist zentriert nicht so herrisch wie der Kreis. Sie umreißt vielmehr ein Feld - jenes Feld, in dem sich die sichtbaren Spuren der Vergangenheit befinden, deren Wahrnehmung der Steg auf diese Weise unterstützt.
Im Gegensatz zu den meisten Brücken und Stegen ist der Steg von Max Pauly nicht so sehr ein Ingenieurwerk, auch wenn seine Statik korrekt konstruiert wurde. Es ist vielmehr ein Werk der Architektur, an der das Gemachtsein nicht vordergründig ablesbar ist. Deshalb ist die Unter- und Oberseite mit Lärchenholzbrettern verschalt, damit der Plattencharakter bzw. die geneigte Ebene deutlicher zum Ausdruck kommt. Ein Einblick in die Träger der Primär- und Sekundärkonstruktion hätte diesen Eindruck zerstört. Entsprechend stecken die Rundstützen nicht senkrecht im Boden, sondern rechtwinkelig zur Ebene des Stegs, womit angedeutet wird, dass sie zum Steg gehören. Dieser wird zum luftig und leicht abgestellten Objekt, das Autonomie gewinnt gegenüber den erdgebundenen Fundamenten der Kirche.
(Quelle: W. Zschokke, in: Veröffentlichte Kunst - Kunst im öffentlichen Raum 5, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 418a, 2000)