St. Martin am Ybbsfelde (Sankt Martin-Karlsbach)


Gemeinde Sankt Martin-Karlsbach

Ortsgeschichte

Westlich von Ybbs in eine Mulde am Südabhang des Hengstberges geschmiegt, liegt St. Martin am Ybbsfelde, der Hauptort der Marktgemeinde St. Martin-Karlsbach. Das Gemeindegebiet umfasst heute neben St. Martin am Ybbsfelde Ennsbach und Karlsbach. Das Hengstberggebiet gehört noch zum Ursteinmassiv des Waldviertels.

Die fruchtbaren Böden führte dazu, dass die Region schon früh besiedelt wurde. Der Bronzezeit (ca. 1500 v. Chr.) gehört ein hier aufgefundenes Schwert an. 1961 stieß man auf bronzezeitliche Gräber am Ybbsfeld (Mitterburg). Auch aus der Römerzeit stammen einige Funde. Seit dem 5. nachchristlichen Jahrhundert siedelten sich Germanen, Slawen, Awaren und seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auch Bayern an. 788 schließlich wurde auf dem Ybbsfeld (in campo ibose) eine große Schlacht geschlagen, in der Karl der Große als Sieger über die Awaren hervorging. Zehntausende ließen ihr Leben. In der Folge setzte im 9. Jahrhundert eine Missionierungswelle ein und eine Kirche wurde gegründet. Diese zählt zu den ältesten des Landes und ist eine königliche Urpfarre. Der Heilige Martin wurde für den weithin auf einer Anhöhe sichtbaren Wehrbau als Schutzpatron der Karolinger gewählt. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Ortes.

1147 findet sich die erste urkundliche Nennung der Kirche St. Martin: Bischof Reginbert von Passau verlieh dem Kloster Waldhausen diese Kirche. St. Martin wurde um 1200 Vikariatskirche von Ybbs und blieb dies in der Folge. 1580 gab es einen lutherischen Prädikanten in St. Martin, das geht aus dem Bericht des „Gegenreformators“ Melchior Khlesl hervor. Auch der ehemals katholische Pfarrer von Neumarkt und sein Gesellpriester aus St. Martin, bekannten sich zum Augsburger Bekenntnis. Auch ihr Vogtherr Johann Freiherr von Althan, Besitzer des Schlosses von Karlsbach, seinesgleichen eifriger Lutheraner, hielt sich einen Prädikanten. Viele Bewohner der umliegenden Gemeinden suchten, trotz Pfarrzwang, St. Martin, Neumarkt oder Wieselburg auf, da diese über protestantisch gesinntes Pfarrpersonal verfügten.

Während der Bauernaufstände (1596/97) kam es auch in den Orten um St. Martin zu bedeutsamen Aktivitäten. In Neumarkt sammelten sich Ende Jänner 1597 etwa 15.000 Mann. In den folgenden Tagen leisteten die Bauern ihrem Anführer Hans Markgraber den Treueeid, nahmen die Burgen Karlsbach, Leutzmannsdorf und Seisenegg ein, ehe sie die Städte Ybbs und Pöchlarn besetzten und gen St. Pölten zogen. Der Karlsbacher Fleischhauer Hayder tat sich besonders hervor.

Im Jahr der Osmaneneinfälle von 1683 wurde das nahe Neumarkt stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch St. Martin war betroffen, Brände vernichteten alte Urkunden. Es gab aber keine Toten zu verzeichnen. Zwei Frauen wurden verschleppt. 1805 und 1809 zogen die Franzosen plündernd und raubend durch St. Martin.

Im November 1920 erhielt der Ort elektrisches Licht. Am 29. März 1935 wurde die im Volksmund genannte „tausendjährige Eiche“, die der Legende nach die Grenzgrafen Grahaman und Audaker nach der siegreichen Schlacht am Ybbsfelde (788) gepflanzt hatten, durch Blitzschlag vernichtet. Der Stammdurchmesser lag bei 2,80 Meter. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Pfarrer Karl Hirsch aufgrund seiner „antinationalsozialistischen“ Einstellung am 12. Juni 1939 von der Gestapo verhaftet und ins St. Pöltener Gefängnis überstellt. Den Pfarrer von Altlengbach, Johann Mold, ereilte ein ähnliches Schicksal. Da den beiden nichts Strafbares nachzuweisen war, mussten sie wieder freigelassen werden; sie tauschten, mit  bischöflicher Genehmigung, die Dienstorte. 1942 musste die Pfarre die drei Glocken – mit Ausnahme der Glocke aus der Babenberger-Zeit ­– nach Hamburg abliefern, nur die Prieninger-Glocke von 1691 kehrte 1946 heil heim. Am Pfingstmontag des Jahres 1944 explodierte ein deutsches zweimotoriges Flugzeug nach einer Verfolgungsjagd durch amerikanische Jäger in der Luft. Sechs Deutsche und ein Amerikaner starben. Nach Ende des Krieges lag St. Martin in der russischen Besatzungszone. Plünderungen waren an der Tagesordnung. Pfarrer Hirsch, zwischenzeitlich als Militärpfarrer tätig, kehrte 1946 aus Kriegsgefangenschaft wieder in „seine“ Pfarre zurück.

Mit 1. Jänner 1970 wurde die freiwillige Zusammenlegung von St. Martin im Ybbsfelde und Karlsbach zur Großgemeinde St. Martin-Karlsbach wirksam. Am 4. Oktober 1981 wurde der Gemeinde St. Martin-Karlsbach von der Niederösterreichischen Landesregierung ein Wappen verliehen: Ein von grün auf blau schräglinks geteilter Schild, der mit einer goldenen Glocke, die im Schildeshaupt von vier goldenen Eichenblättern begleitet wird, belegt ist. Am 29. Juni 1983 feierte die Gemeinde den Eintrag dieser Oktav-Glocke ins Guinessbuch der Rekorde: Die Glocke wurde um 1200 gegossen und ist die älteste noch läutbare Oktavglocke Europas, vielleicht sogar der gesamten Welt. Sie trägt die Inschrift O rex gloriae veni cum pace (O König der Herrlichkeit komm mit Frieden). Der Legende nach wurde sie während des ersten Osmanensturms vergraben und danach von Ebern wieder ausgegraben. Mit Beschluss der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Jänner 2000 erfolgte die Erhebung zur Marktgemeinde.