Thernberg


Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg

Ortsgeschichte

Der Ort Thernberg liegt im Schlattental in der Buckligen Welt unterhalb einer weithin sichtbaren Höhenburg. Die im 12. Jahrhundert errichtete Pfarrkirche von Thernberg ist einer der bedeutendsten romanischen Sakralbauten des Landes. Eine weitere Besonderheit des Ortes ist die enge Verbundenheit mit Erzherzog Johann, der hier mehrere Jahre seinen Wohnsitz hatte.

Erste gesicherte Nennungen von Thernberg stammen erst aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die früheren Erwähnungen des Ortsnamens Ternberch/Termbehrc in Quellen des 9. Jahrhunderts - Urkunde Ludwigs des Deutschen von 860, Weihe einer Laurentius-Kirche 865 nach der Conversio Bagoariorum et Carantanorum - können nach derzeitigem Forschungsstand hingegen nicht eindeutig mit Thernberg identifiziert werden.

Entscheidend für die Erschließung der Gegend und die Siedlungsentwicklung waren ab dem 12. Jahrhundert die Herren von Thernberg, ursprünglich Pittenauer Ministerialen aus dem Gefolgschaftsverband der Grafen von Formbach, die sich später nach Thernberg nannten. Erstmals wird in einer Traditionsnotiz des Stiftes Reichersberg (OÖ) 1144/58 ein Rapoto von Thernberg genannt, der vermutlich mit Rapoto von Pitten-Schwadorf, einem der führenden formbachischen Gefolgsleute, identisch war. Seine auf die Siedlung bezogene Herkunftsbezeichnung - die Burg wurde erst später errichtet - blieb aber zunächst singulär. Erst rund achtzig Jahre später, 1227, nennen sich die Brüder Dietmar und Ulrich nach der damals schon bestehenden Burg Thernberg, die nun zum namengebenden Stammsitz der Herren von Thernberg wurde. Die im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts errichtete Höhenburg mit Vor- und Hauptburg, dem imposanten Bergfried, Wohnbauten und einer Burgkapelle gehörte zu den modernsten Burganlagen der damaligen Zeit.

Älter als die Burg ist die romanische Marienkirche im Ort. Die vermutlich von Rapoto von Pitten Mitte des 12. Jahrhunderts erbaute Kirche wurde von Erzbischof Eberhard I. von Salzburg vor 1164 - möglicherweise um 1147 - gemeinsam mit der Kirche in Scheiblingkirchen geweiht und erhielt eingeschränkte pfarrliche Rechte. Ab dem 13. Jahrhundert gehörte die Kapelle, bis dahin adelige Eigenkirche, zum Stift Reichersberg. Der kunsthistorisch überaus bedeutsame romanische Bau besteht aus Langhaus, Chorquadrat und Apsis. Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte eine Umorientierung der Kirche nach Westen, die seither durch die romanische Apsis betreten wird. Teil des Hochaltars war jahrhundertelang die berühmte gotische „Thernberger Madonna" aus Sandstein, die sich heute im Wiener Diözesanmuseum befindet.

Um 1310 verkauften die Thernberger Burg und Herrschaft an König Friedrich den Schönen. Der letzte des Geschlechts war der Geistliche Gundaker von Thernberg (verst. um 1350), der später als „Pfaffe vom Kahlenberg" in einem um 1470 erschienenen Schwankbuch literarische Berühmtheit erlangte.
Nach mehrfachem Besitzerwechsel im Spätmittelalter erwarben Anfang des 16. Jahrhunderts die Freiherren von Thronradl die Herrschaft. Wolfgang I. ließ um 1515/20 unterhalb der Hochburg ein Wohnschloss erbauen. Die Thronradl gehörten zum evangelischen Adel, beriefen Prädikanten nach Thernberg und ließen 1612 die Kirche sperren. Das Engagement Andreas' II. in der evangelischen Ständeopposition führte 1620 zur Ächtung und zum Entzug seiner Güter. Thernberg blieb den Thronradl zwar erhalten, doch geriet die Familie durch den Verlust eines Teils ihrer Besitzungen im Zuge der Gegenreformation und durch Güterteilungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste die überschuldete Herrschaft schließlich 1679 verkaufen.

Im 18. Jahrhundert kam es unter der Familie Menshengen, 1712 bis 1791 im Besitz von Thernberg, wieder zu einem Aufschwung. Das Dorf wurde 1715 zum Markt erhoben und das Wohnschloss zum barocken "Neuschloss" ausgebaut (1774). Nach der Erhebung der Marienkapelle zur Pfarrkirche im Jahr 1782 erfolgte ein Innenumbau und die Umorientierung der Kirche (1789).

1807 erwarb Erzherzog Johann, der Bruder Kaiser Franz’ II./I. und Erzherzog Karls, Thernberg. Als er sich nach dem Scheitern seiner politischen Reformpläne vom Wiener Hof hierher zurückzog, begann für Thernberg eine Blütezeit. Johann widmete sich der künstlerischen Ausgestaltung des Schlosses, das zum Standort eines großen Teils seiner berühmten Bildersammlung wurde, die später zum Grundstock des neu gegründeten Joanneums in Graz gehörte. Als Mitglied der romantischen Wildensteiner Ritterschaft auf der benachbarten Burg Seebenstein führte er den Namen „Hans, der Thernberger". Nachdem Erzherzog Johann seinen Lebensmittelpunkt in die Steiermark verlegt hatte, verkaufte er die Herrschaft 1828 an Fürst Johann I. von Liechtenstein. An den prominenten und beliebten „Thernberger" aus dem Kaiserhaus erinnert heute ein Denkmal und eine Ausstellung.

Unter den Liechtenstein, die mit Seebenstein bereits einen Wohnsitz in der Gegend hatten und sich daher nur wenig für Thernberg interessierten, setzte der langsame Verfall des Schlosses ein. Jahrelang diente es noch als Ferienaufenthaltsort für Kinder, bis der bauliche Zustand eine Nutzung nicht mehr erlaubte. 1916 verkauften die Liechtenstein an Ludwig Reithoffer, dem 1930 Sally Wolf und danach die Familien Zatloukal und Tuider als Besitzer folgten.

1971 wurden die Gemeinden Thernberg und Scheiblingkirchen zur Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg zusammengelegt und bei diesem Anlass das Thernberger Marktrecht auf Scheiblingkirchen übertragen.